Sonntag, 28. Juli 2013

Halbzeit

Bevor ich anfange, über das eigentliche Thema zu schreiben, wollte ich nur eben anmerken, dass es mich tierisch aufregt, dass jeder Post eine andere Schriftart/-größe/-dicke hat. Da rastet der Perfektionist in mir wirklich aus. Aber das liegt daran, dass die App, mit der ich die Posts in der Klinik verfasse, es nicht so drauf hat. Genug dazu.
Mittlerweile bin ich schon seit sechs Wochen stationär in Tübingen und ich kann nicht wirklich sagen, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist. Klar, so lang kam es mir jetzt auch wieder nicht vor, was daran liegt, dass ich ziemlich viele Freiheiten habe, aber wenn ich daran danke, dass ich nochmal genau die gleiche Zeit dort absitzen muss, werd ich wahnsinnig. Die Therapie ist zwar gut und ich mache immernoch Fortschritte (abgesehen von letzter Woche, die wirklich mies war), aber langsam reicht's mir. Ich will nach Hause und wie alle anderen Sommerferien haben und in den Urlaub fahren und abends lange draußen bleiben und ausschlafen und jeden Tag in der Sonne sein, aber meine verschissene Psyche macht mir natürlich mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Das schlimmste daran ist, dass ich selbst Schuld bin. Ich habe mir schließlich ausgesucht, in den Sommerferien in die Klapse zu gehen, weil mir Schule ja ach so wichtig ist und ich bloß nichts verpassen wollte. Super, war natürlich gut durchdacht. Deswegen bin ich jetzt ehrlich gesagt auch ein bisschen froh, dass das Wetter immer wieder ein bisschen spinnt und uns Regen und Gewitter doch ab und zu einen kleinen Besuch abstatten. Ich will nicht schadenfroh klingen, aber ich bin es. Wenn ich keine Sommerferien haben kann, dann sollen die anderen wenigstens schlechtes Wetter haben. So. Mag sein, dass ihr das jetzt alle furchtbar gemein findet, aber das ist mir herzlich egal. Ich könnte jetzt Romane darüber schreiben, was mich noch so alles im Moment stört, aber das lasse ich lieber mal sein, ich merke nämlich jetzt schon, dass ich sehr, sehr wütend werde. 
Gerade sitze ich zu Hause, Kiara und Holly neben mir auf dem Boden, weil sie, so wie ich, kleine Angsthasen sind und das Gewitter nicht unbedingt genießen (was ich ja, wie bereits gesagt, doch irgendwie tue). Wie immer ist das Wochenende wieder viel zu schnell rumgegangen und in ein paar Stunden geht's auch wieder zurück nach Tübingen in mein geliebtes Irrenhaus. Hach, wie ich mich doch freue, die ganzen Idioten heute Abend wieder zu sehen. Zum Glück werden die schlimmsten nach und nach entlassen, sodass ich wenigstens nicht alle hassen muss. Naja gut, die, die nachkommen, sind nicht gerade besser. Der neuste Zuwachs heißt Helen ist um die 50 Jahre alt und hat einen ziemlich heißen Damenbart. Außerdem leidet sie (naja, leiden WIR) unter ihrem strengen Körpergeruch. Ich möchte nicht gemein sein, aber was soll ich denn tun? Ich mag eben keine ungepflegten Menschen, ganz einfach. Wer also meine Akzeptanz will - dusch gefälligst. So schwer kann das doch nicht sein. Uuuund ich schweife schon wieder ab. 
Urprünglich wollte ich euch ja nur davon berichten, dass ich die Hälfte schon hinter mir habe, was mir, wenn ich jetzt nochmal drüber nachdenke, doch ziemlich schnell vergangen zu sein scheint. Wahnsinn, nur noch 6 Wochen! Am 5. September ist mein Entlasstermin, dass heißt, dass ich nur noch 39 mal im ungemütlichen Krankenhausbett schlafen muss, bis ich wieder in meinem Bett schlafen kann. Bekomm ich bestimmt hin. Hoffentlich.

Donnerstag, 18. Juli 2013

'Buhuuuu ich hab Borderline, ich bin so arm dran!'

Wird Zeit für einen neuen Blogeintrag! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie genervt ich im Momet von diesen in Selbstmitleid versinkenden Idioten bin. Dieses ganze 'Ich hab eine psychisches Problem hiermit, ich habe ein psychisches Problem damit'-Gehabe ist kaum auszuhalten. Anfangs dachte ich ja, es sei ziemlich gut, auf der Erwachsenenstation zu sein, weil hier nicht jeder zweite Patient noch mitten in der Pubertät steckt und den ganzen Tag nur davon redet, wie schrecklich es ist, hier zu sein. Da habe ich mich wohl getäuscht, und wie! Klar gibt es einige, die die ganze Sache hier wirklich ernst nehmen und sich auch so verhalten. Leider bilden diese hier eine Minderheit. Den ganzen Tag geht es nur um Borderline. Manche von euch fragen sich sicher, was falsch daran ist, da wir ja hier auf der Borderline-Station sind. Falsch daran ist, dass es keine anderen Gesprächsthemen gibt. Das Thema wird eben nur mit allem in Verbindung gebracht, teils mit Dingen die überhaupt nicht damit zusammenhängen. Mag ja sein, dass Borderline und Partnerschaften, oder allgemein Beziehungen, nicht gerade zwei perfekt zusammenpassende Bausteine sind, aber wir sind ja schließlich hier, um zu lernen, wie man damit umgeht. 
Wie manche sicher wissen, kann Borderline nicht 'geheilt' werden. Ich persönlich finde ja, dass wir, wenn wir an Heilung denken sofort riesige Erwartungen daran haben. Kann denn nicht schon von Heilung die Rede sein, wenn man seine Erkrankung soweit in den Griff bekommt, dass man normal leben kann? Meiner Meinung nach ja, nur sind meine ach so bemitleidenswerten Mitpatienten da ganz anderer Meinung. Da kommt für mich die Frage auf: 'Was zur Hölle macht ihr dann überhaupt hier?!' Ernsthaft, man fängt doch keine Therapie an, mit der Einstellung, dass man ja sowieso niemals gesund wird und doch eh alles sinnlos ist, weil man ja NUR lernt, damit umzugehen. 
Zum Glück gibt es noch Leute wie Helen, die so nette Beispiele bringen wie 'AIDS kann doch auch nicht geheilt werden, sollen die Betroffenen deshalb auf jede Unterstützung verzichten, weil sie ja sowieso nie gesund werden?' Da war die Selbstmitleids-Partei aber ganz still. Leider nur, bis die Gruppe vorbei war. Danach kamen natürlich die liebe Ulrike und Rieke (die heißen wirklich so!) auf mich zu und bombardierten mich mit den üblichen Fragen: 'Bist du sauer auf mich?', 'War das auf und bezogen?', 'Findest du, dass wir uns selbst bemitleiden?' 
Zu blöd, dass ich ihnen nicht da schon gesagt habe, dass sie mir tierisch auf meine nicht vorhandenen Eier gehen. Da war ich nämlich noch nett, weil ich nicht wollte, dass die arme Ulrike, die ja mit etlichen Dingen ein psychisches Problem hat, anfängt zu weinen (dann hätte ich sie ja trösten müssen), genauso wenig wie ich von Rieke als Zicke bezeichnet werden wollte, weil ich ehrlich bin (die Definition des Wortes Zicke scheint nicht allen hier bekannt zu sein). 
Jedenfalls schien danach (=ca. 12 Millionen Fragen später) alles wieder in Ordnung zu sein - bis vorgestern Abend. Wir haben einen neuen Patienten bekommen, er ist Amerikaner, ihr könnt euch also vorstellen, wie begeistert ich von ihm bin! Helen, Ulrike und ich saßen abends noch mit ihm zusammen im Esszimmer und haben (auf englisch natürlich!) ganz lustige Gespräche geführt. Leider, leider versteht Ulrike kein Wort (ernsthaft, sie kann nichtmal 'Ich heiße...' sagen, das ist ziemlich traurig), weshalb wir Übersetzer spielen durften. Sie fand ihn dann natürlich auch überaus lustig ('Er hat ganz meinen Humor'), bis er sie gefragt hat, warum sie denn kein Englisch könne. Von ihr kam als Antwort, dass das im Osten, wo sie herkäme, eben so sei. Todd hat nur gelacht und gemeint 'Ach, die ungebildeten Ossis oder wie?'. Ihr könnt euch Ulrikes Gesichtsausdruck nicht vorstellen. Sie ist sofort auf ihr Zimmer gerannt, weil sie sich sowas doch nicht gefallen lässt! Ich habe ihr meine Meinung gesagt, als sie mich gestern darüber aufgeklärt hat, wie richtig ihr Verhalten doch war und dass ich das nur nicht verstehe, weil ich eben nicht so sensibel sei wie sie.  Zur Information, sie ist 24 Jahre alt, mehr sage ich zu dieser Geschichte nicht.
Ich kann es kaum erwarten, mich mit den üblichen Idioten (z.B. meinen etwas weniger intelligenten Klassenkameraden) rumschlagen zu müssen, in 7 Wochen ist es so weit! Und dann sind es nur noch ein paar Monate bis ich endlich (ENDLICH) mein Abitur habe und nie wieder einen Fuß in meine Schule setzen muss - hoffentlich! 
Mit diesem schönen Gedanken versuche ich dann mal zu schlafen! 



Mittwoch, 3. Juli 2013

Einmal Gesundheit zum Mitnehmen, bitte!

Meine grausame Woche voller Qualen ist überstanden! Ich habe letztendlich doch noch ein Antibiotikum bekommen, das mich ganz schnell gesund gemacht hat. Ich glaube aber, ich hätte es doch lieber aushalten und nicht um eine Blutabnahme betteln sollen, denn seit ich am Mittwoch das erste Mal leergesaugt wurde, reißen die sich hier förmlich nach meinem Blut. Ständig kommt ein Medizinstudent oder Arzt in voller Blutsaugermontur auf mich zu und plündert meine Blutvorräte. Heute schon wieder! Hoffentlich war's das jetzt erstmal, ich glaube nämlich wirklich, dass ich bald kein Blut mehr in meinem Körper habe!! Und hoffentlich sind meine Werte endlich auch mal wieder gut. So, genug davon.
Morgen steht meine Teamvorstellung an. Da muss ich meine Behandlungsziele dem ganzen Team, also Ärzten, Therapeuten und anwesenden Pflegern vorstellen und ab da geht dann die Therapie in die 2. Phase. Ich darf mir dann endlich weiterführende Therapien aussuchen, was ich eigentlich schon gemacht habe, jetzt warte ich nur auf freie Plätze. Ich möchte nämlich zusätzlich zur Ergotherapie am Dienstag und Donnerstag Morgen auch noch nachmittags in die Textilgruppe, jeweils an den selben Tagen. Außerdem möchte ich Mittwoch und Freitag in die Kunst- und Gestaltungstherapie gehen. Die findet zum Glück morgens statt, dann hab ich da wenigstens die Nachmittage frei, wenn schon zwei andere wegfallen, wobei das auch kein Drama ist. 
Jedenfalls bin ich ziemlich aufgeregt vor morgen, weil ich gespannt bin, was die lieben Herren und Frauen Doktoren zu meinen Zielen sagen. Diese sind nämlich 1. Selbstverletztendes Verhalten reduzieren, 2. Umgang mit Gefühlen, insbesondere Schuld, 3. Ansprüche an mich selbst reduzieren. Das klingt nahezu unmöglich, wenn man bedenkt, dass ich ja 'schon' am 5. September wieder entlassen werde, also noch knapp zwei Monate Zeit habe, um an mir zu arbeiten. Aber meine Therapeutin war ganz überzeugt davon, dass ich das schaffen kann. Ehrlich gesagt habe ich da ja so meine Zweifel. Zwar hoffe ich, dass ich meine Behandlungsziele wenigstens ansatzweise erreichen kann, aber ich glaube (nein, ich bin mir sicher), dass dazu deutlich mehr nötig ist, als eine 12-wöchige Therapie. Ja ich weiß, dass das ziemlich klar auf der Hand liegt, aber mich verstört eben diese Euphorie, die hier verstrahlt wird doch ein wenig. Ich bin ja auch ziemlich optimistisch, was die ganze Sache angeht, weil es mir im Moment wirklich gut geht, teils besser als es mir in den letzten paar Jahren ging (man glaubt es kaum!), aber man soll den Tag ja bekanntlich nicht vor dem Abend loben, richtig? 
Nun, ich lasse mir meine Zuversicht trotzdem nicht nehmen, es läuft im Moment eben gut, warum kann ich das nicht endlich mal akzeptieren ohne ständig diese Zweifel im Hinterkopf zu haben? Mensch, immer diese blöden Borderliner-Gedanken, nie können die's einem Recht machen. Dafür hab ich mir heute selbst was Gutes getan, indem ich zu Helen ins Zimmer gezogen bin! Ja, richtig gelesen, ich bin die herzallerliebste Kathi endlich, endlich, endlich losgeworden. Nachdem sie aber schon angefangen hat, meine Handtücher mitzubenutzen (mh, delikat), wurde das aber auch wirklich mal Zeit. Jetzt sitze ich also hier in meinem neuen Zimmer und fühle mich pudelwohl, trotz dem ziemlich beschissenen Tag, den ich hinter mir habe. Aber Hauptsache, ich kann gut schlafen, was ich jetzt auch schleunigst tun werde. Drückt mir die Daumen bei meiner Teamvorstellung!

Montag, 24. Juni 2013

Krank im Krankenhaus

(WARNUNG: Lesen auf eigene Gefahr! Ich versinke womöglich zutiefst in Selbstmitleid und tauche nicht wieder auf.)

Na warum geht man denn sonst ins Krankenhaus? In meinem Fall wegen Borderline, wie ihr wisst. Klar, ist auch 'ne Krankheit und so weiter, aber jetzt bin ich wirklich krank!
Ich habe schon den ganzen Tag Gliederschmerzen, die ich anfangs für Muskelkater hielt (Ich bin heute nämlich mal in die Stadt gelaufen, statt den Bus zu nehmen!!). Nur leider wurden die im Laufe des Tages immer schlimmer, Hals- und Kopfschmerzen kamen -wie nicht anders zu erwarten- natürlich auch dazu. 'Mit einer Ibuprofen geht das schon weg!', dachte ich mir. Klar, schön wär's! Mittlerweile habe ich 5 Ibuprofen intus und es hat absolut nichts gebracht. Fieber habe ich auch, 39 Grad, jetzt wahrscheinlich noch mehr! Ist das nicht furchtbar? Eigentlich denkt man sich, wenn man im Krankenhaus ist, bekommt man schon die richtige Behandlung, mit netten Medikamenten, die am besten alle Sinne betäuben und einen 24 Stunden am Stück schlafen lassen, aber auch hier habe ich mich mal wieder geirrt. Als ich zum Pflegerzimmer gegangen bin, um mein Verlangen nach Ibuprofen zu stillen, wurde ich gefragt, wie es meinem Hals geht und ob ich denn etwas gegen die Schmerzen haben wolle. Was für 'ne Frage, wer möchte denn bitte Schmerzen?! (sagte sie und im nächsten Moment fiel ihr auf 'Verdammt, ich hab ja Borderline.') Als ich mich schon tierisch auf richtig gute Medikamente freute -ich bin ja schließlich im Krankenhaus, der Medikamentenvorrat muss hier größer sein als der Safe von Dagobert Duck-, kam die Pflegerin zurück. Mit Emser Pastillen. Zur Erklärung: Das Zeug wurde mir schonmal angedreht, als ich in Esslingen Halsschmerzen hatte und ich hätte mich, nachdem ich das Zeug 10 Sekunden im Mund hatte, direkt übergeben können. Das ist mit Abstand das widerlichste, was ich je schmecken musste. Selbst zerbröselte Paracetamol (ich konnte früher keine Tabletten schlucken. Ein Glück hat sich das geändert!) schmecken dagegen wie Zuckerwatte.
Jedenfalls wurde mir dann gesagt, ich solle doch Halsbonbons lutschen, das helfe mit Sicherheit. Hat es, wie ihr euch sicherlich denken könnt, nicht mal ein bisschen. So lag ich also den ganzen Tag im Bett, hatte Schmerzen am ganzen Körper und selbst die Ibuprofen, die ich mir immer mal wieder geholt habe, haben nichts genützt.
Bis jetzt! Gerade kam die Nachtschwester nochmal zum Fiebermessen rein und es ist tatsächlich von 39 auf 37 Grad runtergegangen, seit ich die letzte Tablette genommen habe! Halleluja, es gibt wohl doch einen Medizingott oder sowas in der Art. Nur blöd, dass ich den ganzen Tag mit Schlafen verbracht habe und jetzt kaum müde bin. Und Kopfschmerzen habe ich immer noch. Und Halsschmerzen! Ich bin so ein armes, kleines bemitleidenswertes Ding. Ich möchte, dass das über Nacht verschwindet, weil ich morgen früh Erfotherapie habe, was ich auf keinen Fall verpassen will. Ich fange nämlich ein neues Bild an, mit Schafen natürlich. Und abgesehen davon ist Kunsttherapie mit das Beste, was ich hier machen darf. Ich bin zwar, wie ich bereits erwähnt habe, absolut nicht künstlerisch begabt, mir fehlt auch die nötige Fantasie. Aber trotzdem hilt mir das auf irgendeine abgedrehte Art und Weise. Ist mir auch relativ egal WIE, Hauptsache es hilft, was? 

Es gibt aber noch eine andere Sache, die mich in dieser einen Woche, die ich nun hier bin, weiter gebracht hat, als alle anderen Therapien, die ich bis jetzt hatte: Verhaltensanalysen schreiben. Wenn ein Patient unter selbstschädigendem Verhalten, wie z.B. Selbstverletzung oder einem gestörten Essverhalten leidet, kommt die Time-Out-Regelung ins Spiel. (Wer mit Dingen wie Selbstverletzung usw. ein Problem hat, sollte vielleicht nicht weiterlesen. Kann ja sein, dass jemand nicht gut damit zurecht kommt, ich weiß es nicht.)
Wenn ich mich während meinem Aufenthalt hier selbst verletzen sollte oder Mahlzeiten verweigern würde, bin ich dazu verpflichtet, einem Pfleger Bescheid zu geben, selbst dann, wenn das jeweilige Problemverhalten am Wochenende zu Hause stattgefunden hat. Dann wird mir mein Handy abgenommen und ich muss für mindestens zwei bis maximal 24 Stunden ins Time-Out. Das bedeutet dann, dass ich für den kompletten Tag an keiner Therapie mehr teilnehmen darf, ich darf mein Zimmer nur zu den Mahlzeiten verlassen, mit niemandem reden und eine Verhaltensanalyse schreiben (Was genau habe ich getan und wie? Was ist davor geschehen? Was wären mögliche Lösungsansätze?). Diese muss dann von einem Mitpatienten, sowie Pfleger begutachtet werden. Danach ist das Time-Out beendet, jedoch muss man Wiedergutmachung beim Pflegepersonal leisten (Was genau das nun schon wieder bedeutet, ist mir auch nicht ganz klar).
Ich habe es aber bis jetzt geschafft, nicht ins Time-Out zu kommen, was mich sehr stolz macht. Eine Verhaltensanalyse musste ich jedoch trotzdem schreiben, damit ich das übe. Diese sollte über meine prägnantese Erinnerung an mein Problemverhalten bzw. an das letzte Mal, als dieses von mir ausgeübt wurde, geschrieben werden. Ob ihr es glaubt oder nicht, es hat mir tatsächlich jetzt schon geholfen, meine Gefühle und Gedanken in solchen Momenten besser zu verstehen. Und da ich keinesfalls ins Time-Out möchte, aber auch nicht nichts sagen kann, wenn ich mich selbst verletzt habe, klappt es bisher ganz gut, das nicht zu tun. Und das ist einer der größten Fortschritte, die ich, wenn man alle Therapien zusammennimmt, verzeichnen kann.
Wo Licht ist, ist auch Schatten, sagte eins ein scheinbar äußerst intelligenter Mensch, den ich hiermit zitiert habe. Das war, finde ich, eine sehr gelungene Überleitung zu einem Thema, das mich heute wütend gemacht hat. Mir wurde nämlich von einer äußerst liebenswerten Person gesagt, ich sei ein ziemliches Opfer (dies bedeutet im Jargon dieses Individuums wohl nicht das, was wir etwas intelligenteren Menschen darunter verstehen. Im Gegenteil, ich bin mir ziemlich sicher, dass es mich beleidigen sollte), weil ich Borderline hätte und zu unfähig dazu sei, mit anderen Menschen umzugehen ('Ich kann wenigstens mit Personen umgehen, du Opfer.' Zitat Ende). Vielen Dank, liebe Person, das hat mich wirklich sehr aufgeheitert. Ich sagte zwar, es hätte mich wütend gemacht, was es auch hat, aber aufgeheitert hat es mich auch. Es ist immer wieder ein Genuss zu sehen, wie sehr sich die Natur teilweise mit der Verteilung der Gehirnzellen zurückgehalten hat.
Aber dieses Thema wäre damit auch abgeschlossen, es lohnt sich nicht, sich darüber Gedanken zu machen. Ich hatte nur das Bedürfnis, das loszuwerden und jetzt, da ich meiner Meinung freien Lauf lassen konnte, ist die Wut verflogen, juhu!
Leider verfliegen meine Schmerzen nicht, obwohl das Fieber gesunken ist. Ich sollte jetzt wohl ein bisschen Schokolade essen, dann wird das schon wieder, denn Schokolade ist ja bekanntlich die beste Medizin (bekanntlich = weil ich das sage = ich habe recht). An dieser Stelle verabschiede ich mich für heute und wünsche euch einen schönen Tag oder Abend, je nachdem, mit tonnenweise Schokolade! 

Freitag, 21. Juni 2013

Blümchen und Todestrieb

Ich habe es tatsächlich geschafft: Ich habe heute NICHT verschlafen! Applaus für mich! Leider hat mich die nette Therapeutin nicht wie versprochen geweckt und ich hatte die ganze Nacht über Panik, dass ich wieder verschlafen werde, weshalb ich jede Stunde aufgewacht und panisch nach meinem Handy gesucht habe, um dann festzustellen, dass ich noch gefühlte 10 Jahre schlafen kann. Nachdem es dann irgendwann wirklich Zeit zum Aufstehen war, konnte ich gemütlich 3 Nutellabrote verschlingen und danach gleich in die Morgenrunde spazieren. Die liebe Therapeutin hat sich natürlich gleich bei mir dafür entschuldigt, dass sie mich nicht geweckt hat, war aber stolz auf mich, dass ich es (trotz schlafgestörter Nacht) geschafft habe, pünktlich aus den Federn zu kommen.
In der Morgenrunde haben wir wie immer eine Achtsamkeitsdingsbumsübung gemacht und danach musste wieder jeder sein Tagesziel nennen. Das Tagesziel muss etwas sein, zu was man sich überwinden muss, was einem schwer fällt. Mir fällt da leider nur nie etwas ein, um ehrlich zu sein. Natürlich könnte ich sagen "Ich werde heute Mathe lernen", weil das ja wirklich eine Sache ist, die mir wahnsinnig schwer fällt. Aber mal ganz ehrlich: Wenn ich immer so etwas in der Art sagen würde, würde ich ja nie meine Tagesziele erreichen und irgendwann total frustriert vor mich hin vegetieren. Deshalb war mein heutiges Tagesziel, einen Brief zu schreiben. Okay, das habe ich auch nicht geschafft. Aber ich war auch schwer beschäftigt mit Skillsgruppe, Kuchen backen und damit, Besuch von der süßen Ani zu bekommen (das ist übrigens mein 'Positives Ereignis' auf meiner Diary Card :)).
Aber ich sollte vielleicht mal weiter erzählen. Nach der Morgenrunde hatte ich Skillsgruppe und das war heute wirklich anstrengend. Wir haben das Thema 'Umgang mit Gefühlen' angefangen und... nunja, wir Borderliner haben's ja bekanntlich nicht so mit Gefühlen und wenn wir dann eine Stunde damit konfrontiert werden, da quiekt das Urlaubsschwein gewaltig! Zur Erklärung: In jeder Gruppentherapie sind das Urlaubs-/Zeitschwein und der Dialektikfrosch dabei. Das Schwein wird gedrückt, wenn es einem zu viel wird und man 'Kurzurlaub' nehmen, also kurz den Raum verlassen, möchte. Der Dialektikfrosch hat die Aufgabe zu quaken, wenn jemand etwas Bewertendes sagt, z.B. "Ja, ich bin halt scheiße" oder jemand anderes bewertet. Ich habe es heute gerade noch so ausgehalten, aber es war echt schwierig, also seid stolz auf mich! Zum Glück hatte ich nach der Skillsgruppe 2 Stunden Zeit, bis es Mittagessen gab, also konnte ich in Ruhe duschen und natürlich Kreuzworträtsel machen. Schade nur, dass ich keinen Mittagschlaf gemacht und das Mittagessen verschlafen habe, den heute hat das Krankenhausessen mal wieder bewiesen, dass es Krankenhausessen ist. Bis jetzt war so gut wie alles echt lecker, aber das heute war 'ne Zumutung. Aber genug davon, kommen wir zum leckeren Teil.
Nach dem Mittagessen habe ich mit 2 Mitpatientinnen Apfelkuchen für die Kaffee & Kuchen-Runde am Nachmittag gebacken, zusätzlich zu unseren Schokomuffins, die ja gestern schon fertig waren. Um 15 nach 2 musste ich dann aber los, weil ich ein Gespräch mit meiner Bezugspflegerin hatte und das war auch echt anstrengend - als wäre die Skillsgruppe heute nicht genug gewesen. Jedenfalls habe ich mich irgendwann in mein Zimmer verkrochen und mich aus ihren 'Ich möchte alles, alles, ALLES über dich wissen!'-Krallen befreit. Sie ist eigentlich wirklich nett, aber heute hat sie mich überfordert. Als ich dann ein Ründchen vor mich hin gekreuzworträtselt hatte, um mich zu beruhigen (das hilft echt gut, merk ich grade so), war es auch schon 15 nach 3, also Kuchenzeit. Naja, nicht für mich. Meine sehr netten Mitpatienten haben mich aus der Küche geschmissen, weil ich 3 (!) Minuten zu spät erschienen bin. Also ich verstehe es ja, dass es bei den ganzen Gruppentherapien die Regel gibt, dass Zuspätkommer draußen bleiben müssen, um Störungen bei den Achtsamkeitsübungen zu vermeiden, aber mal im Ernst: beim Kuchenessen?! Wenn sie meinen. Die blöden machen ja sowieso in 2 Wochen die Fliege, dann bin ich die los. (Oh und apropos! Meine süße Kathi geht in die Tagesklinik, ich bin frei! Aber es ist noch nicht zu 100% sicher, also drückt mir die Daumen.)
Ohne Kuchen im Bauch habe ich mich dann also auf den Weg zum Parkhaus gemacht, wo ich meine kleine Ani abgeholt habe. Nachdem wir noch kurz in der Klinik waren, weil ich mich umziehen wollte (mein Rock war zu kurz UND hatte einen Fleck!!), sind wir in die Stadt gelaufen (was ganz neues für mich, weil ich bisher immer mit dem Bus gefahren bin. Ich dachte es wäre echt weit, aber eigentlich braucht man keine 10 Minuten. Ups.) und waren Eis essen und Kreuzworträtselhefte kaufen und lagen dann in der Sonne auf der Wiese und haben unsere grauen Zellen trainiert. Um halb 8 ist die liebe Ani dann wieder nach Hause gedüst und ich habe mir in der Klinik dann doch noch einen Muffin und ein Stück Kuchen gegönnt, ha! Aber natürlich ganz brav erst nach dem Abendessen (nicht das Mami & Papi das hier lesen und ich noch Ärger bekomme! Ich putz' mir auch ganz brav immer die Zähne!), das heute leider auch sehr bescheiden ausgefallen ist.
Jetzt sitze ich jedenfalls mit meinem Baby (=Laptop, Papa weiß Bescheid) in der Küche und höre meinen Mitpatienten zu, wie sie mit dem Pfleger diskutieren, ob wir noch bis 12 wach bleiben dürfen, weil Wochenende ist. Und hey, es hat geklappt! Also sollte ich mich jetzt wohl den laufenden Konversationen widmen und es mit dem posten heute gut sein lassen.
Adios!

P.S.: Jetzt habe ich gar nichts zur Überschrift gesagt. Ich habe von der Pflegerin, die vergessen hat mich zu wecken, als Wiedergutmachung eine Vase mit Blümchen für mein Zimmer bekommen und die Vase und die Blümchen sind rosa! Und zum Todestrieb: Meine herzallerliebste Klasse mal wieder. Aggressionen, Aggressionen, Aggressionen. Hach, wie schön.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Endlich!

Hallo meine lieben Leser und Nicht-Leser!

Es ist geschehen: Ich hab endlich Internet! 6 Tage ohne haben meinen armen Laptop ganz traurig gemacht, aber jetzt ist alles wieder gut. Vielleicht sollte ich an die DBT gleich eine Internet-Entzugskur dranhängen..?
Morgen hab ich schon eine Woche hier verbracht und ich weiß, das ist keine lange Zeit, aber irgendwie ging es doch sehr schnell. Ich habe mich bis jetzt ziemlich gut eingelebt und alle Mitpatienten sind in Ordnung. (Okay, meine nette Mitbewohnerin nicht mit eingerechnet) Auch das Pflegepersonal und die Therapeuten sind alle echt nett. Ich bin selbst ganz überrascht, dass ich nur Gutes zu berichten habe, aber dieses Mal scheinen die Götter der psychisch Kranken echt auf meiner Seite zu sein. 
Im Gegensatz dazu scheinen sich die Frühaufstehergötter eindeutig gegen mich verschworen zu haben. Seit ich hier bin, bin ich kein einziges Mal rechtzeitig aufgestanden. Ich stelle mir jeden Tag ca. 8320580 Wecker aber es ist sinnlos. Jetzt haben die Pfleger beschlossen, dass es wohl ganz gut wäre, wenn sie mich wecken würden (Natürlich erst, nachdem sie schön Stress gemacht haben) - fällt ihnen früh ein! Jedenfalls habe ich heute zum Glück nur die Morgenrunde verpasst, was nicht so schlimm ist. Dafür war die Bewegungstherapie umso schlimmer. Ohne Frühstück Sport zu machen ist wirklich keine gute Idee, merkt euch das! Ich habe zum Glück früh genug gemerkt, dass mein Kreislauf gleich schlapp macht und saß dann den Rest der Stunde am Rand. War natürlich echt schlimm für mich, mich nicht sportlich betätigen zu dürfen!
Nach der furchtbar anstrengenden Bewegungstherapie hatten wir Bezugsgruppe, was nach Helen's Definition eine Lästerrunde ist. Dort werden eben allgemeine Probleme, die im Moment aktuell sind besprochen, aber auch Dinge, die einzelne Patienten belasten. Da das ganze ohne Pfleger abläuft, müssen wir wirklich aufpassen was wir sagen. Man darf zum Beispiel keinen Mucks über Selbstverletzung sagen, weil sich sonst andere Patienten getriggert fühen und natürlich sofort vom Krankenhausdach springen, jaja! Aber gut, ich verstehe natürlich schon, dass es hier gewisse Regeln gibt und das ist auch gut so, sonst würden hier einige echt durchdrehen, glaube ich. (Tun sie ja sowieso schon) 

Nachdem wir also unser Lästerründchen abgeschlossen hatten, ging's auch gleich weiter zur Ergotherapie, wo ich mein Bild von letztem Mal fertig gemacht habe. Es ist -wie nicht anders zu erwarten- ein Schaf. Aber es ist nicht so geworden, wie ich es gerne hätte und deshalb war ich vorhin ganz schön mies drauf. Aber vielleicht lag meine schlechte Laune auch daran, dass ich mitbekommen habe, dass meine herzallerliebsten Klassenkameraden nichts anderes mit ihrem Leben anzufangen wissen, als meins auseinanderzunehmen. (Falls jemand von euch irgendwie an diesen Link gekommen sein sollte: Liebe Person, verpiss dich.) Eigentlich sollte mir das völlig egal sein, aber langsam wird es wirklich lächerlich. Egal, es ist Internetverschwendung, noch mehr darüber zu schreiben!
Das Mittagessen hat mich von meinem Schafbild-Frust ein bisschen abgelenkt, weil es -für Krankenhausessen- mal wieder echt lecker war! Satt und glücklich konnte ich dann zur Achtsamkeitsgruppe gehen und das war dann auch das letzte, was heute anstand. Was wäre also besser gewesen, als einen Mittagschlaf zu machen? Nichts, richtig. Mehr oder weniger pünktlich zum Abendessen war ich auch wieder wach, hab dann meinen Magen wieder gefüllt und danach ging's mit 3 meiner Leidensgenossen nach draußen und Hausaufgaben machen. Bin ich nicht vorbildlich? 
Es tut mir leid, dass ich heute nur blödes Geschwafel zu berichten hatte, aber es ist wirklich nichts Spannendes passiert. Jetzt werde ich mit der süßen Rieke Muffins für morgen backen, seid also alle neidisch!
Bis bald! :)

Dienstag, 18. Juni 2013

Los geht's!

Gestern hat meine Therapie hier also 'richtig' angefangen. Ich hatte bisher schon Einzelterapie (bei einer scheinbar super Therapeutin!), Gruppentherapie (wo ich erstmal etwa 2847294 Arbeitsblätter -das sogenannte 'Skills-Manual'- bekommen habe), Achtsamkeitsgruppe ( ich weiß noch nicht so recht, was der Unterschied zwischen den einzelnen Gruppentherapien ist), Körperwahrnehmung (heute haben wir PMR gemacht und ich bin fast eingeschlafen! Das sind schonmal 100 Punkte für die Bewegungstherapeutin!) und Ergotherapie (da kann man entweder malen oder Specksteine machen). 
Der Tag gestern war irgendwie nicht so gut, weil ich etwas aufgeregt war, weil es jetzt ja dann richtig losgeht. Dafür war es heute bisher umso besser! Vor allem das Malen hat mir Spaß gemacht, obwohl ich künstlerisch sehr unbegabt bin, wie die meisten vielleicht wissen. Aber ich habe beschlossen, mit Acrylfarben ein Schaf auf einer Wiese zu malen. Das bekomme ich geraaaaade noch so hin und Schafe sind ja sowieso super! 
Den Nachmittag habe ich heute mit 3 Mitpatienten in unseren schicken Wohnzimmer verbracht, weil es draußen echt zu warm war! (Außerdem ist die eine Diabetikerin und war heute so stark im Unterzucker, dass sie heute Ausgangssperre hatte) Aber eigentlich will ich mich nicht über die Hitze beschweren, wenigstens wird es endlich mal Sommer! Klar, es ist natürlich nicht wirklich 'ne Traumvorstellung, seinen Sommer in der Psychiatrie zu verbringen, aber immerhin darf ich hier raus wann ich will. 
Ich habe das Gefühl, dass ich euch langweile, weil es eigentlich nichts spektakuläres zu erzählen gibt, deshalb erzähle ich euch mal, was ich die nächsten Tage so vorhabe. Morgen früh habe ich meine 2. Einzelterapie und danach kommt eine Medizinstudentin, die am Montag in der Oberarztvisite dabei war, zu mir, weil sie mich ein bisschen 'interviewen' möchte. Ja richtig gehört! Mein ach-so-spannender Fall wird von ihr nämlich in der Uni vorgestellt, hat sie als Hausaufgabe (oder wie auch immer das in Studentensprache heißt) aufbekommen. Da bin ich echt mal gespannt! 
Nachmittags sind dann wieder 2 Gruppentherapien und danach findet unsere Außenaktivität statt, bei der wir morgen in den botanischen Garten gehen. Hoffentlich werde ich in der Sonne endlich mal beige.
Am Donnerstag ist der komplette Morgen verplant. Erst Frühstück, dann Morgenrunde, dann Bewegungstherapie bis 9.15 Uhr, um 9.40 Uhr Bezugsgruppe bis 10.25 Uhr und 5 Minuten später Ergotherapie. Um 12 Uhr dann erstmal Mittagessen und um 15 vor 1 Achtsamkeitsgruppe. Und das war's dann auch mal. Wenigstens haben wir da den Nachmittag frei. Ist irgendwie wie Schule, was? Wir bekommen sogar Hausaufgaben, stellt euch das mal vor! Die wollen mich wohl noch kränker machen! (Ich übertreibe vielleicht ein wenig.)
Am Freitag steht nur Skillsgruppe an und mittags werde ich mit 2 Mitpatientinnen Kuchen backen, weil es jeden Freitag um 15.15 Uhr Kaffee & selbstgebackenen (!) Kuchen auf Station gibt. Werdet alle neidisch!
So, jetzt gehen mir wirklich die Themen aus... Bis bald! 

So sieht Abendessen in Tübingen übrigens aus!